nsu-prozess: ungereimtheiten und ungeheuerlichkeiten ohne ende

angeklagterund ein monat lang ist nun verhandlungspause. folgende zehn themenskizzen die sich uns in den ersten prozesswochen aufgedrängt haben, werden wir ab september weiter im auge haben:

1. angebliche zufälle, die nebenbei im prozess zur sprache kamen, über die aber kaum ein journalist sprach bzw. nach einer uns nicht genügenden erklärung der bundesanwaltschaft wie auf kommando überhaupt niemand mehr spricht? ein mobilfunknummereintrag beim mitangeklagten carsten schultze der formal zunächst auf tino brandt –  eine gespenstische größe in der rechten szene thüringens und zeitweise v-mann des verfassungsschutzes – deuten konnte: namentlich geht es um einen handykontakt der laut BKA-ermittlungsunterlagen aber ausgerechnet einem nürnberger blumenhändler (frank halbig) gehöre. und das eben nicht erst, wie bundesanwalt diemer – einen tag nachdem der besonders engagierte und kompetente nebenklageanwalt yavuz selim narin das thema anbrachte – behauptete, seit april 2008, sondern bereits seit august 2000. und damit ca. 4 wochen vor dem ersten mord…

sollten zwei kriminalkommisare der staatsschutz “zentralstelle rechts” im jahr 2012 diesbezüglich tatsächlich einem info-fehler der telekom aufgesessen sein, als sie einen sechs seiten starken aktenvermerk fertigten?

2. kleinere fragezeichen die sich aus nebensätzen in zeugenaussagen ergeben, z.b. im mordfall şimşek: hier sagte die polizei dem vernehmen nach einem beunruhigten bürger am telefon, daß alles in ordnung sei:  irgendwo auf der grünen wiese, von der jener mann die behörde alarmieren wollte. ganz so, als ob von der umgebung von simseks blumenstand in der polizeifunkstelle sekundengleich sat-überwachungsdaten vorlagen. abgesehen davon, dass das gegenteil der fall war – der mordanschlag war bereits geschehen, der bereits nahezu tote mann aber vermeintlich noch unentdeckt!

konkret: andreas heuler, ein rettungsassistent, der am 9. september 2000 in nürnberg an dem mobilen blumenstand als potentieller kunde vorbeikam, wunderte sich, dass dieser anscheinend über einen längeren zeitraum unbesetzt war. er kontaktete die polizei. dass man den heute 39-jährigen seitens der behörden gleich zu beruhigen suchte, indem ihm ein beamter bei jenem anruf mitgeteilt haben soll, dass streifenkollegen den blumenhändler noch vor rund einer halben stunde gesehen hätten, kommt zumindest uns “spanisch” vor. warum lag in der zentrale eine solche info vor, wenn für die polizei bis dato am tatsächlich bereits zum tatort gewordenen verkaufsstand alles “normal” schien?

3. die geschichte mit kılıç schwiegermutter. bezeichnenderweise wurde folgender komplex auch bei der webseite “nsu-watch” ausgeklammert, obwohl diese so tut, als ob sie wirkliche protokolle der verhandlungstage böte und sich berechtigterweise einmischen und aufklären auf die fahnen geschrieben habe, was wir indes nicht nachvollziehen können: fakt ist, die schwiegermutter des vierten mordopfers berichtete vor dem OLG in münchen unlängst, dass ihr seinerzeit auf einer polizeiwache – auf die sie mittels anruf eines bekannten beordert worden war – erst nach dreieinhalbstündiger vernehmung vom tod ihres schwiegersohnes berichtet worden sei. in der zeit davor habe man sie ausgefragt und wie eine verdächtige behandelt. und als ob das nicht schon – erst recht am tattag – fragwürdig genug gewesen wäre (auch die offiziellen akten lassen den schluss zu, dass hier eine frau fast in den wahnsinn getrieben wurde) schwor die zeugin vor gericht nun sprichwörtlich stein und bein, dass sie bereits am frühen vormittag – kurz nach 9 uhr – des 29.08.2001 auf der wache saß. unter anderem um fragen a la „Wie haben sie sich mit ihrem Schwiegersohn verstanden?” zu beantworten. und das eben obgleich der mord - nach allem was man weiß -, erst nach 10 uhr 30 begangen sein konnte…

4. bereits sehr früh haben staatliche stellen aufgrund der wiederkehrenden tatwaffe (pistole des typs Česká CZ83) zu den morden an acht türkischen und einem griechischen unternehmer offiziell eine serie auf dem schirm gehabt. und obwohl spätestens 2004 bekannt war, dass an mehreren tatorten von teils unterschiedlichsten zeugen unter anderem jeweils recht auffällig agierende radfahrer gesichtet worden waren, habe man diese eher als potentielle zeugen denn als mögliche mörder betrachtet. heute sei man schlauer, wisse, dass dies mundlos und bönhardt waren, so mordermittler josef wilfling im prozess…

mal ganz abgesehen davon, dass er und andere deutsche beamte die täter ja lieber in den familien der opfer oder in ihrem türkischen umfeld suchten: warum war bei den fahndungsaufrufen explizit ein hinweis auf eigensicherung – ein aufruf über geeignete vorbeugende maßnahmen gefahren für leib oder leben abzuwenden – an die polizeikollegen ausgegeben worden?!

5.- götzls unsägliche vernehmung der witwe kılıç und seinen zumindest leichtfertigen umgang mit der thematik nagelbombenanschlag in der kölner keupstrasse haben wir ja bereits thematisiert: eine weitere ungeheuerlichkeit dieses richters liegt in seinem wiederholt beleidigenden verhalten gegen diverse nebenklägervertreter – allen voran sein anschreien und größenwahnsinnig anmutendes abkanzeln von anwalt adnan menderes erdal, der aufgrund öffentlichen drucks bereits vor wochen genötigt worden war, seinen durchaus verständlichen antrag auf entfernung des kreuzes aus dem gerichtssaal zurückzuziehen.

auffallend: götzl tickt vor allem immer dann aus und unterbricht willkürlich anmutend gar die verhandlung – womit er de facto einen nebenklageanwalt seines fragerechts beraubt – wenn erdal unbequeme fragen einleitet und dabei etwa an die neonazi-verbrechen von solingen und mölln (denen acht menschen türkischer abstammung zum opfer fielen) erinnert. oder den irrsinn benennt, dass sich noch heutzutage manche deutsche als herrenmenschen betrachten. oder einem kriminalhauptkommissar namens albrecht vögeler (der insb. in den mordfällen enver simsek und abdurrahim özüdogru intensivst im umfeld der opfer, aber nicht in fremdenfeindlichen kreisen nach den tätern gesucht hatte) die mehr als berechtigte frage stellt, welche hinweise der beamte denn (noch) gebraucht hätte, um einen rechtsradikalen hintergrund zumindest in erwägung zu ziehen, wo es doch ebreits mehrere ausländische opfer gab…

6. den fall temme, ungereimtheiten mit vier panther-köpfen im sog. bekennervideo sowie das märchen von der unauffindbarkeit des trios haben wir auch bereits kurz angeschnitten – dennoch wird, um bei letzterem beispiel zu bleiben, bis heute im mainstream die betreffende zeugeneinvernahme des mitangeklagten carsten s. weitgehend ausgeklammert. und das obgleich diese nahelegt, dass der verfassungsschutz spätestens durch seinen informanten tino brandt bereits um das jahr 2000 herum wissen musste, wo mundlos, böhnhardt und zschäpe zwischenzeitlich abgeblieben waren.

in einer späteren geschichte werden wir alle offenen fragen zusammenfassen, die die bundesanwaltschaft wohl am liebsten aus dem prozess heraushalten möchte und die die nebenklagevertreter (und vielleicht auch mancher verteidiger) hoffentlich erfolgreich, also allen widerständen zum trotz ab september thematisieren können: u.a. auch fragen rund um den kriminalbeamten, der vor einem untersuchungsausschuss vor wochen bekundete dienstlicherseits schon 2007 vom “NSU” gehört zu haben und seither offenkundig unter staatlichen repressionen leben muss. oder den “dritten mann”, den zeugen auf der flucht aus dem brennenden wohnmobil in der nähe von eisenach gesehen haben wollen – als sich mundlos und böhnhardt obgleich dem vernehmen nach schwer bewaffnet und bereits eine polizistin auf dem kerbholz selbst erschossen haben sollen, als sich ihnen zwei polizisten genähert haben…

7. die geisteshaltung von in münchen vernommenen polizeibeamten spottet teilweise jeder beschreibung. selbst wenn jene beamte auf der anklagebank säßen und sie sozusagen anschaulich erklären müssten, warum sie so vehement organisierte kriminalität, familienfehden, drogengeschäfte etc. pp. vermuteten bzw. primär als spuren untersuchten, wäre es unerträglich ihren offenkundig bis heute verfestigten rassistischen klischees und arroganten tatortbeschreibungen zu lauschen.

wir werden untersuchen, wie die deutschen mainstreammedien, die ja jahrelang das – selbst wenn man milieumorde in betracht hätte ziehen können – unsägliche wort “dönermorde” gebrauchten, damit entweder gar nicht oder zu lax ins “gericht” gehen.

8. meinungsmache der medienkollegen. schon am ersten prozesstag ging es los. zschäpes anwälte würden mit “sinnlosen” anträgen das verfahren verschleppen. dabei hatte schon damals vieles was heer, stahl und sturm von sich gaben, mehr als hand und fuss. oder was halten sie z.b. davon, wenn ein richter eine sicherheitsverfügung erlässt, dass – verständlicherweise – strengstens am einlass des gerichts kontrolliert werden soll, weil ja (zum beispiel) auch zschäpes verteidigern ohne deren zutun etwas verbotenes zugesteckt werden könnte oder sie, wie jeder mensch, theoretisch erpressbar wären. dass götzls “gesetze” aber nicht für ihn selbst, nicht für bundesanwälte, ja noch nicht einmal für sonstige justizbedienstete gelten sollte, war mit das erste, was heer, stahl und sturm bemängelten. zu recht!

da man insb. seitens des boulevards zwischenzeitlich erkannt hat, dass man das verteidigertrio mit seiner arbeit nicht direkt diskreditieren kann, versuchte man dieser tage eine neiddebatte anzuzetteln. weil diese doch tatsächlich in einem münchner nobelhotel nächtigen würden. dass dies aus sicht der staatskasse egal ist, keineswegs der steuerzahler für vermeintlichen luxus aufkommt, fällt da bei den kollegen natürlich gerne unter den tisch. es gibt nämlich höchstsätze, die die anwälte abrechnen dürfen. für differenzbeträge kommen sie selber auf.

wir möchten anhand einer umfassenden medienschau untersuchen, wie deutsche zeitungen systematisch stimmung gegen prozessbeteiligte machen. nicht nur gegen heer, stahl und sturm sondern u.a. auch gegen die nebenklägervertreter. und wir möchten untersuchen, welche kollegen – zumindest teilweise – götzls fehlverhalten gezielt unter den tisch kehren.

9. BKAler vergessen vor lauter freude am plauschen mit beschuldigten, die die aussage eigentlich verweigern wollten, das nachfragen bei verdächtigen, die rede und antwort stehen wollten. während man von zschäpe wohl mit unlauteren tricks außerhalb offizieller vernehmungssituationen ( noch dazu in abwesenheit ihrer anwälte) versuchte, das eine oder andere zu entlocken, wurde bei holger g. offenkundig nachlässig und unprofessionell ermittelt.

eigentlich unerklärlicherweise haben die polizeibeamten gleich in mehreren vernehmungen dieses mitangeklagten (der das trio unter anderem mit ausweisdokumenten unterstützt haben soll, die unter anderem zur anmietung auch des letztes wohnmobils verwendet wurden) sich schnell mit dessen aussagen zufrieden gegeben, auf nachfragen verzichtet. selbst zum thema kronzeugenregelung fehlen klar nachvollziehbare abläufe…

10. ungereimtheiten rund um zeugenaussagen zum “trio” bzw. den “beiden uwes”, insb. auch zum brandherd frühlingsstrasse. mal ab davon, dass regelmäßigen prozessbesuchern auffällige formulierungsähnlichkeiten in diversen zeugenaussagen - etwa von fahrrädern, die nicht aus baumärkten stammen konnten – in den ohren klingen müssten und zu allen prozesskomplexen teils eklatante widersprüche zwischen den aussagen vor gericht und dem, was bei früheren vernehmungen durch polizei und co. auf welcher grundlage auch immer niedergeschrieben wurde, auftauchen: seit der zeugeneinvernahme der handwerker von zwickau steht der verdacht im raum, dass nicht nur die mutmaßliche brandlegerin zschäpe wusste, dass in der zwickauer frühlingsstrasse seinerzeit bald eine explosion von statten geht.

ganz abgesehen davon, dass wir uns wundern, dass sich die bundesanwaltschaft – die zu prozessbeginn ihren pr-beauftragten bei presse und zuschauern stimmung gegen ton- und selbst getippte offizielle protokolle zu diesem für viele längst ziemlich unüberschaubar gewordenen prozess machen ließ – nicht auf die zehn mordfälle und die schwerverletzten von köln konzentriert: uns ist es etwas unverständlich, wieso hier nicht nur ein sondern sogar gleich drei mordversuche konstruiert werden, obgleich de facto zum brandzeitpunkt nur eine nachbarin (die glücklicherweise absolut unverletzt blieb) und eben nicht drei personen in der doppelhaushälfte weilte(n).

besagte handwerker waren – bei knarzenden treppen dürfte(n) das der oder die brandleger mitbekommen haben – bereits außer haus. ohnedies kann man hier wohl nicht von einem zielgerichteten tötungswillen ausgehen, sondern schlimmstenfalls unterstellen, dass der oder die täter ggf. den tod eines nachbarn beim unterstellten versuch spuren zu verwischen billigend in kauf genommen hätten. was fraglos schlimm genug, aber eben kein vorsätzlicher mord wäre. ganz anders als insb. die zehn hinrichtungen, die unseres erachtens neben dem komplex keupstrasse im mittelpunkt des verfahrens stehen müssten.

wir möchten fast wetten, dass sie bei den vorstehenden themenskizzen wenigstens drei anmerkungen entdecken konnten, die sie bisher an noch keiner anderen stelle vernommen haben? der medienmainstream blendet im nsu-verfahren unserer beobachtung nach nämlich eine menge aus. daher bitten wir sie um ihre unterstützung. damit wir den prozess auch ab september weiter kritisch begleiten können*.

* wir danken Ihnen für jeden einzelnen motivierenden euro auf “konto nr.: 5408979333 – BLZ: 50010517″ – bitte geben sie als verwedungszweck “das zob / nsu-prozess” und eine kontaktmöglichkeit (etwa ihre e-mail-adresse, die wir natürlich nur für ein pers. dankeschönschreiben verwenden möchten) an. wir können bis auf weiteres leider keine spendenquittungen ausstellen, versteuern aber garantiert brav – zu FA- und sonstigen rechtlichen angaben schauen sie bitte in unser impressum: http://das-zob.de/?page_id=37

nsu-prozess: gericht schikaniert hinterbliebene – deutsche presse schweigt

kilic

habil kılıç, inhaber eines münchner obst- und gemüsehandels wurde nur 38 jahre alt – am 29. august 2001 hat ihn der “nsu” kaltblütig erschossen

der vergangene donnerstag war der bisher wohl härteste prozesstag im verfahren gegen beate zschäpe und andere. das lag einerseits an josef wilfling (kriminaloberrat a.d.) der mit unsäglicher arroganz und erkennbar von rassistischem gedankengut durchdrungen vor gericht als “zeuge” auftrat und andererseits am umgang des richters (der die vergangenen wochen schon mehrfach die anwälte der nebenkläger dreist anging) und teilen der staatsanwaltschaft (die weiterhin alles daran setzt, dass aktenschreddern, der fall temme, früheste v-mann-erkenntnisse zum aufenthaltsort der nun hauptangeklagten sowie von mundlos und bönhardt und derlei mehr vor gericht tunlichst nicht zur sprache kommt) mit der ehefrau des im august 2001 ermordeten lebensmittelhändlers habil kilic.

der eingangs erwähnte kriminaler wilfling, heute 66, hatte seinerzeit die leitung der ermittlung in jenem gemeinhin als vierten nsu-mord bezeichneten fall. damals lieferten ihn unterschiedliche nachbarn und ein postbote hinweise auf insb.vier verschiedene personen, die sich zur tatzeit in der nähe des tatorts aufgehalten haben sollen. angaben über einen angeblichen “mulatten” und einen mann mit “mongolenbart” nahm der beamte dabei offenkundig ziemlich ernst. vor allem ersteren. zwei gänzlich unabhängige zeugenaussagen, die übereinstimmend berichteten, 2 radfahrer mit sportlicher bzw. fahrradkuriertypischer kluft gesehen zu haben, konnten sich seiner damaligen einschätzung nach hingegen nur auf weitere potentielle zeugen, aber keinesfalls auf mögliche täter bezogen haben. dabei war in den ihn vorliegenden protokollen zum mordfall simsek just u.a. ebenfalls – und dort sogar wohl ziemlich prominent – von radfahrern am tatort berichtet worden.

als ob es nicht bereits zumutung genug gewesen wäre, dass sich der münchner beamte retrospektiv sogar von jeder oberflächlichen arbeitsweise freispricht, erst recht von blindheit auf dem rechten auge, wagte es herr wilfling vergangenen donnerstag vor dem OLG gar berechtigte – zugegebenermaßen in einem fall etwas unwirsch vorgetragene – fragen einiger nebenklagevertreter arrogant zu kontern und nebenher in verschiedensten formulierungen zu unterstreichen, dass es aus seiner sicht nur allzu plausibel war, dass man auch im fall kilic von einem tatzusammenhang mit drogendelikten ausgehen durfte. auch wenn sich das mordopfer dann irgendwann als “kreuzbraver” (sic!) mann herausgestellt hätte…

wie bei einem typen wie ihm kaum anders zu vermuten: auch heute scheint wilfling bei türkischen mitbürgern zuerst an mehr oder minder kurmme geschäfte zu denken – anders sind uns sätze wie “jetzt soll man mal bitte nicht so tun, als ob es keine türkische drogenmafia gibt!”, die er vor gericht im rahmen seiner zeugeneinvernahme regelrecht trotzig und (!) rotzig herausposaunt wurden nicht erklärlich.

wer dachte mit diesem auftritt und den dazwischen laufenden maßreglungen von richter und staatsanwaltschaft in richtung nebenklageanwälte hätte dieser prozesstag bereits seinen traurigen höhepunkt erreicht, sah sich etwas später getäuscht. was sich richter götzl leistete, als mit pinar kilic die erste hinterbliebene im nsu-prozess auf dem zeugenstuhl platz nahm, grenzt schon an menschenverachtung und gezielter qual. der vollständigkeit halber darf an dieser stelle jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass kilic’ anwalt bernd-michael manthey seine mandantin wohl nicht nur im vorfeld wenig seriös beraten hat, sondern sie vor ort zunächst gar sträflich allein ließ – nicht von anbeginn an neben ihr platz nahm. gleichwohl rechtfertigt beides zu keiner sekunde den oftmals motzenden, laut werdenden tonfall und oder abfällige “jaja”s mit denen richter götzl der witwe (!) eines mordopfers begegnete, die schlicht und ergreifend in einem klaren ton bekundete, keine kraft für weitere befragungen zu haben, erst recht nicht im beisein jener “dame” (mit gesten richtung zschäpe) – schließlich habe sie alles schon mehrfach zu protokoll gegeben. und das, nachdem sie jahrelang wie eine verdächtige behandelt worden war, erkennungsdienstlich “von rechts und links mit nummer in der hand” von der polizei wie ein schwerverbrecher abfotografiert worden war, aufgrund des sozialen drucks wegziehen und ihren laden aufgeben musste und sich sogar schikanen von der schule ihrer damals rund 10-jährigen tochter gefallen lassen musste.

als sich frau kilic letztlich sichtbar widerwillig den bereits vom inhalt her tatsächlich wenig sinnhaften fragen des richters gebeugt hatte, war die tortur noch nicht zu ende. bundeanwältin anette greger insistierte minutenlang mit fragen, wann die zeugin selber nach deutschland gekommen sei, wann der verstorbene, wann man sich kennengelernt, wann der gatte nachgezogen sei … vom duktus her fast so, als sehe sich greger als vertreterin einer typischen deutschen ausländerbehörde, die den verdacht auf so genannte scheinehen zu untersuchen hätte.

und was machte die deutsche presse die letzten tage aus diesen ungeheuerlichkeiten? der stern etwa entschuldigt implizit götzls aber natürlich nicht mal umrissenes fehlverhalten, fabuliert von einem “Missverständnis” und liefert gleich noch eine erklärung, dass es der perverserweise explizit gar im kontext als “geduldig” geschilderte richter gar gut gemeint haben könnte: “Der Vorsitzende Richter Götzl will den Geschichten der Opfer Raum geben, vielleicht auch um darzustellen, welche Folgen die Morde für die einzelnen Familien, aber auch für die Türken in Deutschland hatten – der Vorwurf der Anklage lautet schließlich Terrorismus.”

während zahllose weitere medien - so sie das thema überhaupt aufgreifen – ähnlich versagen in sachen aufklärung der bevölkerung zu untrieben deutscher richter und staatsanwälte, wird man immerhin bei dpa bzw. der süddeutschen – sucht man mit der lupe nach kritik – in ansätzen fündig: “So souverän der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sonst die Verhandlung leitet – der Umgang mit aufgewühlten Zeugen, denen die Strafprozessordnung fremd ist, gehört nicht zu seinen Stärken.” bzw. ”Der Vorsitzende Richter versucht immer wieder, ihr Details über ihren Mann, ihr Leben, den Mord zu entlocken. Einige Fragen des Richters wirken seltsam, die Frau wird immer ungeduldiger.”

doch mit solchen halbsätzen darf für offenkundige qual, die frau kilic letzte woche ein weiteres mal von deutschen behörden erdulden musste, die berichterstattung nicht stoppen! richtig ärgerlich fanden wir übrigens “nsu-watch”, das seine arbeit zum nsu-prozess unserer beobachtung nach leider viel zu euphemistisch als “protokoll”-dienst bezeichnet. die ansätze sind natürlich da, und man könnte sagen besser als nix. und wir möchten die arbeit an sich auch nicht diskreditieren, doch warnen gleichzeitig jeden leser davor “blind” zu glauben, dass es sich dort um protokolle im ureigensten wortsinn handelt! wie an zahllosen anderen stellen auf jener webseite wird bei nsu-watch jüngst u.a. das aussageverhalten von frau kilic mit subjektiven einschätzungen geschildert (“Nur sehr zögerlich” habe sie geantwortet). doch dass götzl laut und anmaßend wurde, findet bis auf eine implizite wiedergabe am ende (“Götzl bohrt nach…”)  in keiner einzigen silbe nachklang!!! doch wenn man an dieser stelle eben noch um zwischentöne und an- bzw. eben unangemessenheit vom tun des richters streiten könnte, findet sich im “protokoll” zwar explizit der folgende satz “Von Seiten der Verteidigung kommen keine Fragen.” aber dass es eine mehrstufige, unseres erachtens eben in jeder hinsicht unangemessen vorgetragene und auch formal ohnedies unnötige minutenlange fragerei seitens der bundesanwaltschaft gab, fiel bei den “kollegen”, die gemenhin zu zweit im pressebereich die laptoptasten krachen lassen, bezeichnenderweise gänzlich unter den tisch. ebenso übrigens, dass eine weitere zeugin an jenem tag gravierende unstimmigkeiten mit zeitlichen einordnungen zum tattag hatte, was zwar in anbetracht der umstände und inzwischen vergangenen zeit mehr als verständlich ist, aber eben nicht unerwähnt bleiben kann. erst recht nicht, wenn man vorgibt, umfassende protokolle zu liefern.