nsu-prozess: ab wann darf, ab wann muss man einen richter als zumutung bezeichnen?

tragikomisch wenn man sich erinnert, welch gewichtige akten mit nsu-bezug durch deutsche “verfassungsschützer” vermeintlich unwiderbringlich (auch wenn gewisse ard-dokus peinlicherweise vor monaten anderes suggerieren wollten) geschreddert wurden: vor wenigen wochen stand in der mittagspause eines prozesstages wenige meter vorm OLG dieses fahrzeug. so wie wir die arbeit der meisten akkreditierten journalisten seit über 50 verhandlungstagen beurteilen müssen, würden diese wohl auch dann schweigen, wenn im gericht sogar vor ihren augen weitere akten geschreddert würden – copyright: das ZOB

auch wir waren vergangenen donnerstag geneigt zu lamentieren, wie undankbar es ist, stundenlang einem einstigen “szeneladen”-inhaber  beim de-facto (ver-)schweigen zuschauen und zuhören zu müssen. namentlich ging es um frank liebau. einem mann der offenbar zumindest vor jahren extrem tief mit ultrarechten, vermeintlich gemeingefährlichen kreisen verbandelt, und partner oder chef von andreas schultz war, der dereinst dem nun in münchen mitangeklagten carsten schultze die berühmt-berüchtigte ceska übergeben haben soll, ehe sie dieser dann vermeintlich zu böhnhardt und mundlos brachte. doch: wer insbesondere als medienvertreter die jüngsten beiden (!) prozesstage auch nur annähernd vollständig verfolgt hat, müsste – wenn er seinen beruf, seinen unabhängigkeits- und aufklärungs- oder wenigstens informationsauftrag ernst nimmt – zumindest gleichberechtigt über die neuerlichen ungeheuerlichkeiten des vorsitzenden richters im nsu-prozess berichten. ein wiederholtes auftreten, das fast nur mehr als gezieltes ausbremsen kritischer fragen zu werten ist. im idealfall sollte vielleicht sogar die frage nach der zumutbarkeit und oder tragfähigkeit gestellt werden. und zwar weil das unseres erachtens nunmehr endgültig jede grenze überschreitende, teils extrem lautstarke und auf uns beleidigend wirkende ”gegötzel” ausnahmslos kritischen nebenklagevertretern galt. also nicht mal – wenigstens auch – jenen unerträglichen “zeugen” liebau traf, der außer mit bei neonazis auffällig beliebten marken wie „thor steinar“ oder tickets für umstrittene “fightclubs” mit dem einschlägig bekannten “rico malt” auch mit aus guten gründen indizierten CDs und mutmaßlich gar mit videos handelte, die quasi bombenbauanleitungen bzw. inspiration zum abschlachten politischer gegner enthielten. der “madley”-betreiber musste sich nicht abkanzeln lassen. er durfte sich vielmehr – wie vor ihm übrigens bereits zahlreiche polizisten (sic!) im zeugenstand – auf gedächtnislücken berufen, ohne dass götzl seine aussagen wenigstens protokollieren ließ.

“Er ist 59 Jahre alt. Geboren in Franken. Jazzliebhaber.” so begann vor einigen monaten – nachzulesen noch u.a. bei wz-newsline – eine art portrait jenes mannes, der in diesem verfahren sozusagen den hut aufhat. manfred götzl ist der vorsitzende richter im NSU-prozess. verantwortlich für den text, der u.a. mit der zwischenüberschrift “Dem Richter wird fehlende Sensibilität vorgeworfen” operierte und mit dem absatz “Leicht macht es Götzl weder sich noch Anderen. Anstatt den türkischen Medien
einfach drei Plätze im Publikum zu geben, wie Karlsruhe aufgezeigt hatte,
verschob er den ganzen Prozess. Opferangehörige mussten Flugtickets stornieren –
und sich noch einmal neu auf das Zusammentreffen mit den mutmaßlichen Tätern
einstellen.” endete, stammte von sabine dobel. einer mitarbeiterin der natürlich auch aktuell in sachen nsu deutschlandweit überproportional artikel und damit zahllose meinungen prägenden nachrichtenagentur dpa.

polizisten, die absonderlichste widersprüche im raum stehen lassen dürfen

nicht dass jene zeilen im frühjahr in unseren augen als besonders mutig oder gar bahnbrechend zu werten waren – sie waren besser als nichts. heute aber gibt es hinsichtlich der arbeit götzls unserer beobachtung nach fast nicht mal mehr kritik zwischen den zeilen. bleiben wir zunächst bei der dpa. zum 52. prozesstag (dem vergangenen mittwoch) lieferte diese einen bericht, der zwar ein wenig auf unstimmigkeiten zwischen staatsanwaltschaft und zschäpe-verteidigung hinsichtlich der vernehmung einer 91-jährigen eingeht, jedoch komplett verschweigt, dass der “damalige (gemeint ist der zeitpunkt des “auffliegens” des NSU, aka der wohnmobilbrand von eisenach, das auffinden der “beiden uwes”, anm. das ZOB) Chef der Polizeidirektion Gotha, Michael Menzel” trotz zahlreicher nachfrageversuche von prozessbeteiligten nicht ansatzweise schlüssig erklärte, warum er am tatort zeitnah an uwe mundlos dachte. der leitende beamte hatte sich nämlich bereits am 4.11.2011 eine akte zu diesem – und wohl nur zu diesem – angefordert, bevor (!) es in den frühen morgenstunden des 5.11. einen entsprechenden treffer in einer fingerabdruckkartei gab! wohlgemerkt: zu einer auch metzels aussage nach aufgrund der schwere der schussverletzungen (stichwort pumpgun) anderweitig nicht identifizierbaren leiche.

ebenso verliert dpa nicht einmal “zwischen den zeilen” einen hinweis darauf, wie der vorsitzende richter letzte woche nebenklagevertretern mit unseres erachtens fadenscheinigen gründen ins wort fiel, deren kritische fragen de facto abwürgte. man muss wissen: aufgrund unseres erachtens fragwürdigster beschlüsse von götzl und seinem ihm stets treu ergeben scheinenden senat wird im OLG ja von anbeginn an eine offizielle wörtliche protokollierung generell verhindert. von einer audio- oder gar videoaufzeichnung dieses sogenannten “jahrhundertprozesses” ganz zu schweigen. wenn nun die masse der medien hierzulande de facto verschweigt, dass es in dieser wie in anderen polizeilichen aussagen gravierende ungereimtheiten gibt; einen richter nicht mal zitiert, geschweige denn kritisiert, wenn dieser behauptet, dass es für den tat- und schuldvorwurf gegenüber den angeklagten keine relevanz habe, ob zumindest einzelne staatsbedienstete mehr oder minder frühzeitig wussten, wo das NSU-kernrtrio steckte, ist das unseres erachtens absolute desinformation. oder gar vorauseilende selbstzensur? es gibt schlicht zuviele indizien, dass mitarbeiter der einen oder anderen deustchen behörde wussten, was sich böhnhardt, mundlos und zschäpe seit ihrem “abtauchen” 1998 zumindest unter anderem neu aufs kerbholz geladen haben sollen, als dass man hierzu einfach schweigen darf.

liebe journalistenkollegen: auch verschweigen ist als falschaussage zu werten

man könnte es konsequent nennen, dass eben jene mit abstand bekannteste deutsche nachrichtenagentur zu prozesstag 53 in der folge darauf verzichtet zu erwähnen, dass nebenklagevertreter letztlich eine umfangreiche kritische stellungnahme zu den augenfälligen widersprüchen des herrn menzel abgaben. immerhin kommt so etwas dann im prozess selbst zur gesamtakte. und damit voraussichtlich anders übrigens als wohl höchstspannendes, und vielleicht eine menge erhellendes material zu andreas temme, jenem verfassungsschutzbeamten, der beim mord am internetcafebetreiber halit yozgat 2006 nebendran gestanden haben oder zumindest – laut ermittlern die heute anscheinend niemand mehr hören mag – quasi über die leiche “gestolpert” sein muss. konkret ging es bei einem antrag der nebenklage zu temme unlängst darum, 35 telefonüberwachungsakten zu dem aufgrund (früherer?) rechtsradikaler tendenzen als „klein adolf“ bekannten mann, der sich bezeichnenderweise nach jenem neunten nsu-mord nicht einmal als zeuge gemeldet hatte, beizuziehen. richter götzl lehnte zwischenzeitlich aber – fast möchte man schon sagen erwartungsgemäß – auch diesen antrag ab. die unterlagen würden wohl nichts dazu beitragen können, den fall aufzuklären. die bundesanwaltschaft hatte ihrerseits schon zuvor “widerspruch” erhoben – schließlich gelte es ja auch die privatsphäre (sic!) temmes zu schützen. und die meisten deutschen medien schweigen. hier und da.

dabei sind berufsverbotforderungen, wie sie dem vernehmen nach etwa im jahre 1963 allzu kritischen journalisten entgegenwehten, die sich vom früheren bundesrichter dr. schröder vom bundesarbeitsgericht gar als „Brunnenvergifter“ diffamieren lassen mussten, die „systematisch das Vertrauen in die Justiz untergraben“, und denen man deshalb “das Handwerk legen” müsse, heute wohl - zumindest formal – nicht mehr zu erwarten. hoffen wir zumindest. auch in bayern. haben kollegen, die auffällig vieles, was im nsu-prozess am image der richter und der staatsanwaltschaft kratzen könnte, mehr oder minder beharrlich ausblenden, vielleicht trotzdem “nur” angst? etwa davor, dass man ihnen selber den prozess macht, wenn sie auch nur implizit an der marke unabhängigkeit (von der entscheider an deutschen gerichten offensichtlich oftmals glauben, dass sie nicht mal theorteisch hinterfragt werden darf) zweifeln?

richter blockt selbst fragen, die sich quasi um mögliche blaupausen für die nagelbombenanschläge des NSU drehen

der zu seiner politisch aktiveren zeit selbst fraglos nicht zu unrecht umstrittene norbert blüm, dessen lesenswerter wenngleich nicht taufrischer text in der “zeit” auch eine anmerkung zum vorsitzenden richter im nsu-prozess enthält (“Götzl gilt unter Kollegen als “brillant”. Zu dieser Brillanz gehörte, dass er einen Gutachter, der während eines langen Vortrags einen Schluck Wasser zu sich nehmen wollte, anblaffte, er solle gefälligst eine Pause beantragen, wenn er Durst habe.”) schafft es, anders als viele medienvertreter, die in münchen seit mai oft mehrmals die woche grund dazu hätten, den gedanken “Richter (müssen) wenigstens lernen, mit Kritik umzugehen” auszuformulieren. zumal selbstkritik, etwa aus reihen des deutschen richterbunds – dessen stellvertretenden vorsitzende andrea titz tragikomischerweise aktuell die leitende pressesprecherin des OLG münchen ist – an einem der ihren, gerade im falle dieses verfahren wohl nicht zu erwarten ist.

zurück zu dem im vorspan dieser geschichte erwähnten szeneladen, der rund um die in neun von zehn nsu-morden zum einsatz gekommenen ceska eine gravierende rolle gespielt habe. dass götzl bei liebau mindestens pro forma öfters nachfragte, diesen zeugen daran erinnerte, dass er nichts verschweigen und nicht wissentlich die unwahrheit sagen dürfe, ist unseres erachtens natürlich eine selbstverständlichkeit. viele kollegen scheinen, allein dass ein richter seine originärste arbeit macht, als etwas besonderes zu betrachten. anders sind viele medienberichte zu den jüngsten prozesstagen nicht zu erklären. dass journalisten dabei aber zumeist unerwähnt lassen, wie götzl am vergangenen mittwoch und donnerstag gleich zahlreiche vertreter der vielen schwerstverletzten und der hinterbliebenen der mordopfer des NSU – also jene gruppe von nebenklageanwälten, die von SZ bis spiegel allein aufgrund ihrer zahl bereits vom ersten prozesstag an immer wieder mal mehr mal weniger unverholen als generelle zumutung diffamiert wurden – fast wie “am laufenden band” unterbrach, oft auch maßregelte und ihren fragen, wenn er sie denn letztlich umformuliert zuließ, zumeist den wind aus den segeln nahm, spottet jeder beschreibung. selbst die schilderungen, die dpa offenkundig am letzten freitag nachschob (die somit unserer beobachtung nach kaum mehr widerklang fanden), spiegeln das, was diesmal zunächst nebenklagevertreter alexander hoffmann und im weiteren wieder anwälte, wie der mit stets besonders profunden recherchen und – wenn ihn das “hohe gericht” nicht steine in den weg legen würde – wohl sehr zielführenden fragetechniken auftrumpfende yavus narin, von götzl erdulden sollten, nicht im ansatz wieder. dass der richter namentlich auch fragen zu früheren ermittlungen zu einem wohl sehr guten bekannten (“kumpel”) von “zeuge” liebau ebenso wie zu fragen über inhalte von bei ihm, dem einstigen szeneladenbetreiber, mal vorgefundenen DVDs blockte, obgleich sich diese um nichts geringeres als um anleitungen zum nagelbombenbau bzw. um “experimente” mit selbigen handelte, findet offenkundig keinerlei wiederklang in der deutschen medienlandschaft. neben zehn morden wird dem NSU jedoch eigentlich insbesondere ein verheerendes nagelbombenattentat vorgeworfen: im juni 2004 wurden durch eine extrem feige tat in der kölner keupstraße (in der überproportional viele türkische bürger ladengeschäfte betrieben und betreiben) 22 menschen zum teil schwer verletzt. aber dies ist ein komplex, den götzl ja schon ziemlich zu prozessbeginn offenkundig vernachlässigenswert fand.

götzl unterbindet protokollierung selbst bei offenkundigen lügnern

und da ist es wieder. das problem der aberwitzigerweise vom vorsitzenden richter und seinem senat wohl nicht zuletzt aufgrund des drängens der bundesanwaltschaft abgelehnten bzw. unmöglich gemachten protokollierung. denn neben all dem was – unter anderem – dpa zur jüngsten prozesswoche unter den tisch fallen ließ: es gibt auch zu mal banaleren, mal grundsätzlicheren sachfragen höchst unterschiedliche berichterstattung. also nicht “nur”, wenn etwa einerseits dpa formuliert “Mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe wechselte er (gemeint ist der mann aus dem madley-laden, anm. das ZOB) im Gerichtssaal mehrfach Blicke. Die beiden lächelten sich immer wieder zu.”, während beispielsweise der erst jüngst nebenklage-anwälte in die ecke der sog. verschwörungstheoretiker schubsende, eng mit der wochenzeitung “die zeit” verbandelte berliner tagesspiegel zu den gleichen prozesstunden vermerkt: ”Immer wieder blickt er zu Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben. Zschäpe mustert ihn, verzieht aber keine Miene.” nein! so etwas passiert tagtäglich bei viel gewichtigeren situationen. zum beispiel bei der frage, ob der seinen “madley”-laden zwischenzeitlich aufgegebene “zeuge” liebau letzte woche vor gericht eingeräumt haben soll, zumindest mal armbrüste in dem szeneladen verkauft zu haben, gehen die beobachtungen der oftmals nicht mal mehr 20 journalisten vor ort weit auseinander. unserer wahrnehmung nach hat das der heute vierzigjährige, der vorm OLG nebenbei zweifelsfrei erklärte, sich beim mitangeklagten wohlleben irgendwann mal nach dem verbleib des “trios” erkundigt zu haben, übrigens explizit verneint.

sogar, dass speziell bei diesem von vielen als zumindest sperrig empfundenen zeugen die nebenklage – was in einzelfällen trotz des o.g. generellen beschlusses des gerichts rechtens ist – eine wörtliche protokollierung beantragte (was erstaunlicherweise ausnahmsweise sogar von bundesanwalt weingarten – “hier steht eine Straftat im Raum” – formal unterstützt wurde, aber – sie ahnen es – von götzl, weil es auf wortwörtliches nicht ankäme, abgelehnt wurde), finden viele kollegen offenkundig nicht mal eine silbe wert. auch nicht, dass es der vorsitzende richter dieser tage ebenfalls als irrelevant einstufte, dass beim mordfall in dortmund – unter anderem – der deutschlandweit berüchtigte neonazi siegfried borchardt, der auch bei der einvernahme eines mutmaßlichen skinheads eine gravierende rolle hätten spielen sollen, wenige meter vom tatort gewohnt haben soll. das (die folgende formulierung ist adaptiert) ehemalige nachrichtenmagazin der spiegel etwa, dessen autorin wir allein zur fortan passenderen verwendung des begriffs kreuzverhör beispielsweise einen was-ist-was-erklärtext empfehlen*, sprach letzte woche lieber von einer schonungslosen einvernahme. die hamburger verteilten also an den vorsitzenden richter lieber blumen als kritische worte. weil diese und andere kollegen ihren im print gemeinhin stark begrenzten platz ansonsten unter anderem auch für ausgiebige beobachtungen, etwa wie oft die hauptangeklagte zschäpe in prozesspausen kreuzworträtsel und oder sudokus löst, benötigen, bleibt natürlich letztlich kein platz zu berichten, was nebenklage-rechtsanwältin elif pinar richter götzl am letzten verhandlungstag nach dessen – anders kann man das unseres erachtens kaum nennen – ausraster gegen RA hofmann in einer immens engagierten, recht mutigen stellungnahme erörterte: nämlich, dass sie beim besten willen nicht wisse, wie es den hinterbliebenen der opfer und den verletzten aus köln vermittelt werden kann, dass der vorsitzende einem offenkundigen lügner wie dem szeneladenbetreiber über stunden mit einer engelsruhe begegne, aber bei der leisesten kritischen frage ihres kollegen unangemessen laut und unhöflich wurde. der rest ist schweigen.

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* eine auseinanderfriemelung zu “Über die Verkaufstheke des Madley” wäre auch noch angezeigt, denn von allem was man weiß, wurde eine waffe mit schalldämpfer nicht im geschäft selbst übergeben. zumindest der mutmaßliche abholer carsten schultze hat bis heute zumindest im prozess übrigens auch (noch) nie konkret eine ceszka benannt und oder identifiziert -

nsu-prozessauftakt: von fehlenden panthern, caren miosgas offenkundig fehlender arbeitseinstellung und fehlern im system

nsu_kein_gras#nsu-prozess – dürfen wir fragen? was ist von der berichterstattung vom montag zum ersten “prozesstag” bisher bei ihnen hängengeblieben?

vielleicht die leider bei weitem nicht nur im boulevard aufgebauschte “frage”, ob der “teufel” (wie zschäpe in “bild” genannt wird, um ja schön davon abzulenken, wie tief verwurzelt übelster, mitunter sprichwörtlich brandgefährlicher rassismus in weiten teilen der vielzitierten “mitte” unserer gesellschaft ist) tatsächlich prada oder was auch immer an schicken klamotten trägt, kaugummi kaut, sich lasziv durchs haar fährt…?

oder haben sie hier und da z.b. vernommen, dass zschäpe der richterbank (demonstrativ) den rücken zugedreht haben soll? wenn sie daraus schlussfolgern, dass die hauptangeklagte z.b. den richtern formal “respekt” verweigerte, während dem “prozess irgendwie oder demonstrativ “abwesend” wirken wollte, dann liegen sie jedoch falsch, sind einer in ihren auswirkungen allerdings vergleichsweise banalen medialen halbwahrheit aufgesessen: denn das mit dem “falsch herum” stehen war nur der fall, solange u.e. sinnfrei lange fotografen und kamerateams für die “bilder der woche”, ach “die bilder des monats” wie es – uns irgendwie an “schtonk” erinnernd – irgendein ard/zdf-gesicht einzuordnen versuchte, rund eine halbe stunde (sic!) den prozessauftakt verzögern (!) durften. zschäpe zeigte lediglich der filmenden und fotografierenden medienmeute die sprichwörtlich kalte schulter – nicht den richtern. das muss man nicht gut finden, (selbsternannte) psychologen mögen da gerne daran herumdeuten – nur es ist in erster linie vor dem hintergrund, um was es hier gehen müsste, schlichtweg scheißegal, ob sich zschäpe bereitwillig filmen lässt oder nicht. ebenso wie die frage, was sie anhatte und wie ihre haare aussahen.

kurz nachdem die richter den saal betreten und die bildermacher des selbigen endlich verwiesen hatten, saß die hauptangeklagte jedenfalls formal völlig “richtig”!

wer erwartet von vermeintlich kaltblütiger möassenmörderin reue?

selbst wenn ihnen dieser und andere bedeutungsschwangere gossip der kollegen durch vernünftiges medienverhalten weitgehend erspart geblieben ist am montag: der “debatte” über die formal immerhin etwas näher dran am eigentlichen themengebiet liegende “frage”, ob die – älteres zitat aus dem “tagesspiegel” – “in der rechten Szene als ‘Diddlmaus’ verniedlicht(e)” keine, noch keine, ein wenig oder wieviel reue auch immer zeigte, werden sie hingegen eher nicht entgangen sein, oder? abgesehen davon, dass zschäpe und die vier anderen mutmaßlich mehr oder minder tief in die sog. nsu-morde verstrickten mitangeklagten noch nicht einmal die anklage gegen sich hören mussten: wer hat insb. von der partnerin der “beiden uwes” etwas wie reue erwartet? wir nicht! wem sollte selbst eine explizite entschuldigung letztlich auch wirklich helfen? was geschehen ist, kann man nicht entschuldigen! niemals! was wichtig ist: die wirklichen hintergründe der tatmotive und täter- und mitwisser und oder anstifter- und oder dulderstrukturen zu ergründen, und alle (!) direkt und indirekt verantwortlichen zu benennen. und: alle direkt und indirekt verantwortlichen einer “gerechten” verurteilung zuzuführen. unter anderem!

wir reden hier schließlich von mehrfachem kaltblütigen mord, von gravierenden bombenattentaten, die noch viele weitere tote hätten fordern können – nicht von unfällen mit fahrerflucht, affekthandlungen oder ähnlichem! vor allem reden wir hier von taten, wo direkte und indirekte staatliche verstrickungen offensichtlich sind. und von einem fall, rund um den sich die masse der medienkollegen hierzulande schon seit monaten mit ablenkung, desinformation und oder verharmlosung disqualifiziert – zumindest wenn es eben um die frage nach direkter oder indirekter verantwortung des staates und oder teile seiner strukturen geht. diese fragen gehören keineswegs “nur” in untersuchungsausschüsse, sondern explizit in diesen prozess!

verfassungsschützer am tatort, geschredderte akten sind KEINE panne!

allein eine sich allzu zwingend aufdrängende zentrale frage rund um das sog. bekennervideo, in dem eindeutig rund um das”nsu-logo” vier und eben nicht “nur” drei “paulchen-panther-köpfe” kreisten und staatlicherseits trotzdem alle fast mantramäßig anmutend so tun, weil zwei tot und eine gefangen ist, der sog. nsu nicht mehr – auch nicht in teilen – existiere… – wann haben sie diese frage wo zuletzt thematisiert gesehen? auch die frage, was aus dem “verfassungsschützer” temme wurde, der nachweislich zeitgleich zu morden an tatorten war (stichwort: internetcafe), scheint nicht nur bei ard und zdf schon lange niemanden mehr zu interessieren – selbstzensur, vergesslichkeit, abgehakt?!? weil nicht sein kann, was nicht sein darf? weil irgendwer gerufen hat “falscher alarm”?!? und: warum geht eigentlich kein #aufschrei durch diese republik, wenn fast alle medien tagtäglich nur von “pannen” reden, wo u.a. gezieltes aktenschreddern nicht mal mehr abgestritten wurde, wieso wird so getan, als ob polizei und co. massenhaft “nur” auf dem rechten auge blind war, statt strukturellen rassismus tief in allen bereichen des staates aufzudecken?

die liste ließe sich sehr lange fortsetzen, doch im moment möchten wir ihren blick mal exemplarisch auf die “tagesthemen” vom vergangenen montag richten, die a) mit größerem zeitlichem abstand zum kurzfristig vertagten prozess berichten konnten (man also zeitlich bedingte oberflächlichkeiten/verkürzungen als fehlerquelle bzw. erklärung für ungereimtheiten vernachlässigen kann) und b) ja vielen hierzulande als besonders seriös und tiefgründig gelten. zu recht?

nehmen sie sich ein paar minuten zeit – surfen sie bitte – auch wenn sie es montag abend live gesehen haben sollten – kurz auf:

http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt4690.html

in minute drei ff wird u.e. der eindruck vermittelt, als ob der befangenheitsantrag der zschäpe-anwälte gegen richter manfred götzl quasi aus heiterem himmel kam. dabei wissen zumindest alle, die am montag im gerichtssaal waren, – spätestens seit dann – dass zumindest eineinhalb tage vor prozessbeginn selbiger befangenheitsantrag via fax beim gericht einging und somit zumindest theoretisch bereits am sonntag abgehandelt hätte werden können.

sind für götzl justizbedienstete und polizisten “übermenschen”?

vor allem wird der befangenheitsantrag in der ARD in einem zentralen punkt viel zu verkürzt wiedergegeben. es geht nämlich primär darum, dass die zschäpe-anwälte eine ungleichbehandlung von einerseits sich und andererseits richtern sowie vertretern der bundesanwaltschaft, polizeibeamten und justizbediensteten sehen. letztere müssten nämlich nicht wie die anwälte selbst unter anderem aufwendig auf waffen abgetastet und durchleuchtet werden. ein punkt, der bei objektiver betrachtung eben tatsächlich absolut widersinnig ist, da das gericht u.a. explizit damit begründet, dass die zschäpe-anwälte einerseits evtl. im zuge einer bedrohung ihrer familien erpressbar sein könnten und oder andererseits gar auch ohne zutun/wissen etwas von dritten zugesteckt bekommen könnten. das aber trifft eben auf jeden humanoiden zu, der den gerichtssaal betritt, oder ?

da die/”wir” deutschen u.e. leider absolut zu recht als besonders autoritätenhörig gelten, macht es für uns einen unterschied, wenn die ARD hier nun aber ausschließlich vermittelt, dass die zschäpe-anwälte kritisert haben sollen, dass sie selbst, “nicht aber Richter und Bundesanwälte” penibel untersucht würden – haben sie den unterschied entdeckt?! die kritik, dass u.a. auch polizeibeamte und sogar sonstige justizbedienstete anders als die verteidiger vor betreten des sitzungssaals behandelt werden, fällt völlig unter den tisch. warum?

niemand hinterfragt vertagung um gleich eine woche

dann ist vom off-kommentator noch lapidar zu hören, dass am nachmittag “plötzlich” die unterbrechung des prozesses für eine ganze woche erfolgte. sachlich richtig. jedoch: abermals keinerlei einordnung, dass es dem münchner senat, den kollegen von richter götzl durchaus möglich gewesen wäre, bereits am tag davor diese unterbrechung aktiv zu verhindern. stichwort unbearbeitetes fax. aber halt^^ – es war ja samstag abend, wer kann denn ahnen, dass bei dem sog. “jahrhudnertprozess” noch etwas vor prozessbeginn – also irgendwann zwischen freitag mittag und montag 10 uhr relevantes zu sichten sein könnte… – die münchner richter offenkundig nicht, das formulierten sie auch implizit im gericht.

auch keine silbe in den tagesthemen, dass es richter götzl möglich gewesen wäre, nur eine kurze unterbrechung anzuordnen, ggf. wenigstens nur dienstag vormittag ausfallen zu lassen… doch wie schon bei seinen gezielt anmutenden unrühmlichkeiten im sog. windhundverfahren was die presseakkreditierungen anging (vgl.: http://www.freitag.de/autoren/gsfrb/akkreditierungsanfragen-fuer-nsu-prozess), haben das OLG münchen und andere staatliche strukturen – wir wollen ja keine absicht unterstellen müssen^^ – offensichtlich zumindest abermals einiges auf die leichte schulter genommen, und somit u.e. sehenden auges u.a. dazu beigetragen, dass die hinterbliebenen der opfer nun ein zweites mal in direkter folge allein schon hinsichtlich zeitlicher abläufe vor den kopf gestossen werden.

es darf im kontext vertagung/befangenheitsantrag natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass es den verteidigern zschäpes und anderen jedoch durchaus recht sein dürfte, wie es nun wieder mit der weitern verzögerung kam. denn sie hätten wohl ihrerseits vor wochen ihre anträge nach erstem “feedback” u.a. des OLG, dass das zweierlei maß nochmal explizit zu adeln versuchte, ans bundesverfassungsgericht gehen können (wo ja die türkische zeitung sabah zu recht wegen der presseplatzvergabe klagte). oder die anwälte hätten wenigstens das mit dem am montag im gericht auf ausdrückliche richterliche aufforderung (sic!) lang und breit verlesenen befangenheitsantrag identische beschwerdefax nicht erst samstag abend übermitteln müssen…

warum fragten sie bei interviewpartner aus eigenem haus nicht nach, frau miosga?

zurück zu den kleineren absonderlichkeiten, die aber eben jede für sich zeigen, wie zumindest oberflächlich und tendenziell staatsnah z.b. (!) die ARD mit selbst vergleichsweise banaleren fragen umgeht: nach dem “beitrag” folgte nämlich ein liveinterview zwischen caren miosga und “experte” frank bräutigam (vgl. minute 4.50 ff)! abgesehen davon, dass miosga nun warum auch immer nurmehr von taschenkontrolle sprach (während es tatsächlich unter anderem um intensivste leibesvisitation geht, die wir aus sicherheitsgründen tendenziell sehr angezeigt sehen, aber u.e. eben konsequenterweise tatsächlich bei JEDEM der zugang zum gebäude hat!), hat sie bräutigam klipp und klar gefragt, warum *nur* die verteidigeranwälte beim einlass wie auch immer untersucht werden – im umkehrschluss war also eine erhellende antwort zu erwarten, warum eben nicht z.b. u.a. bundesstatsanwaltschaft das gleiche prozedere wie zschäpes anwälte erfahren sollen. warum gab es auch darauf nicht mal ansatzweise eine antwort, herr bräutigam? warum fragten sie nicht nach, frau miosga?

wir könnten jetzt noch viel über den ersten tag schreiben: nicht nur über medienkollegen, sondern u.a. über die hintergründe der faktischen und gewünschten verteidiger insb. von ralf wohlleben, von denen u.a. mutmassliche hakenkreuze als kalligraphische besonderheiten – um es euphemistisch zu sagen – “dargestellt” werden; über das teils nicht gerade zimperliche, oft nicht mal ansatzweise respektvolle verhalten von polizisten vor dem gericht (etwa schon durch gängelung von drei brav und leise bereits vor 8 uhr morgens gegenüber dem gericht mit zwei protestplakaten wartenden demonstranten, die den lässlichen fehler begangen, sich nicht gleich explizit und eindeutig der für 8 uhr offiziell angemeldeten antirassismus-demo zuzuordnen); von ominöserweise gänzlich fehlenden straßensperren vor dem gericht; darüber, dass richter götzl bei der vereidigung türkischer dolmetscher tatsächlich mehrfach auf eine religionsfloskel a la “so wahr mir gott helfe” spekulierte und sich nicht mal die mühe machte, ausländische namen halbwegs ordentlich auszusprechen oder wenigstens bei der anrede herr/frau nicht danebenzuliegen; oder wie sich die von vielen medien gar gänzlich unerwähnten (neben zschäpe und wohlleben) weiteren (drei) angeklagten am montag verhalten haben bzw. wer diese überhaupt sind…

bitte ermöglichen sie kontinuierliche und unabhängige prozessbeobachtung

all das und noch viel mehr, eben u.a. vor allem über die berechtigten ansprüche der nebenkläger an diesen prozess, die hoffentlich auch mit unserer medialen begleitung zumindest mittelfristig ein wenig mehr licht ins dunkel der staatlichen verstrickung bringen mögen, werden wir versuchen, alsbald stück für stück nachzuliefern. doch dazu brauchen wir DRINGEND IHRE/DEINE HILFE – JETZT!

!supporte(t) bitte eine unabhängige und vor allem auch fortwährende journalistische PROZESSBEOBACHTUNG! du musst/sie müssen dafür nicht zwingend auch nur einen müden cent locker machen, aber zumindest BITTE “LIKE” DIREKT BEI STARTNEXT unser “projekt” und TEILE BITTE UNSEREN AUFRUF, sprecht freunde und bekannte an, dass auch sie uns bitte möglichst umgehend ein “like” bei startnext geben (das kann ja sogar nach außen hin anonym erfolgen…!), auf dass wir ganz bald in die dringend nötige finanzierungsphase kommen. hinter uns steht kein verlag, keine politische organisation gleich welcher couleur – daher sind wir auf spenden von menschen angewiesen, denen wie uns an einer weitgehend aufklärung gelegen ist; daran, dass dieses land nicht so tut, als ob rassismus in deutschland kein gesellschaftliches problem wäre…

http://www.startnext.de/nsu-prozessbeobachter/